Donnerstag, 26. März 2020

Charakterisierung durchs Setting




Quelle: Pexels
Eine Figur charakterisiert man am besten über das Setting.
Geschichten bestehen ja bekanntlich aus 3 Bausteinen: Plot, Charaktere und Setting. Alle drei sind miteinander verbunden und bedingen einander. Und deshalb kann man eine Figur nicht nur über den Plot (wie reagiert sie auf Eriegnisse?), sondern auch über das Setting charakterisieren.





Das klingt vielleicht erstmal counter-intuitiv, dass man Charaktere durchs Setting lebendig werden lässt, aber wenn man genauer drüber nachdenkt, ist es doch so, dass wir alle von unser Umgebung beeinflusst werden. Die Stadt, in der wir aufwachsen, die Kultur, das Land, die Leute: Alles prägt uns. Charaktere existieren nicht in einem Vakuum, und das Setting ist all das, was die Figur umgibt und sie prägt. So kann man Charaktere über ein außergewöhnliches Setting entwerfen, z.B. auf einem Raumschiff oder in einem Fantasy-Land, als Bewohner einer exotischen Insel oder Mitarbeiter einer großen Anwaltskanzlei. Außergewöhnliche Settings bringen außergewöhnliche Charaktere hervor: Wir blicken als Leser gerne hinter die Kulissen einer Theaterproduktion oder eines geschlossenen Flughafens, wir schauen gerne einem Anwalt für Menschenrechte über die Schulter oder einem Jedi-Ritter. Das Setting hat großen Einfluss auf unsere Figuren.
Und die Figur wiederum reagiert auf das Setting. Der Tsunami, der im Inciting Incident auf die Stadt zurollt, ist genauso Setting, wie der Börsencrash, der dafür sorgt, dass der Top-Börsen-Makler seinen Job verliert und auf der Straße landet. Dass Romeo & Julia sich auf der Party im Hause Capulet begegnen, ist eine Frage des Settings, denn auch, dass die Liebenden aus zwei verfeindeten Häusern stammen, ist Setting. Hier bildet das Setting sogar den Hauptkonflikt: Er ist ein Montague, sie eine Capulet.

Charaktere werden nicht auf Seite 1 geboren, sie kommen mit einer Meinung und Erfahrungen über das Setting in die Geschichte, sie kennen die Straßen der Stadt oder hassen ihre Bewohner, sie haben Freunde und Feinde und noch Schulden beim Barkeeper.
Deshalb charakterisiert man Figuren am besten über das Setting:
Man beschreibt man alles was sie sehen und alles was geschieht, durch die Augen der Hauptfigur. Und dabei benutzt man am besten alle 5 Sinne (Hören, Riechen, Sehen, Tasten, Schmecken), gefärbt durch die persönliche Meinung der Hauptfigur.
(Das gilt natürlich ganz besonders für Ich-Erzähler, aber auch für den personalen. Sogar der auktoriale Erzähler sollte eine Meinung haben —eben die des Erzählers.)
Nicht der Autor ist es, der uns beschreibt, wie etwas aussieht, sondern die Hauptfigur als Perspektivträger.

Mag die Hauptfigur den Geruch seines Arbeitsplatzes, ist es ihm vertraut oder abstoßend? Erinnert ihn der Anblick der aufgehenden Sonne an eine verflossene Liebe, oder hasst er den Nieselregen seiner Heimat, sehnt sich nach einer wärmeren Jacke und seiner verstorbenen Mutter?
Alles, was die Figur denkt, riecht und fühlt charakterisiert sie.
Anfänger-Autoren denken oft, sie müssten dem Leser beschreiben, wer die Hauptfigur ist. Aber das ist gar nicht nötig. Die Hauptfigur (bzw. der jeweilige Perspektivträger) charakterisiert sich selbst, mit allem, was er sieht und wie er reagiert.

Es ist doch so, dass jeder anders auf ein Ereignis reagiert und dass jeder etwas anderes wahrnimmt.
Beispiel: Wenn der Privatdetektiv das erste Mal einen Tatort betritt, wird er anders reagieren, wenn er ein Amateur ist oder ein Profi. Was sieht er, was fällt ihm auf? Ist es Routine für ihn, Blutflecken auf dem Boden zusehen, oder dreht ihm der Geruch den Magen um? Interessiert er sich nur für die Wunden an der Leiche oder deduziert er anhand von dessen Kleidungstil und den Regenspritzern an den Absätzen, dass das Opfer den Frühzug aus Paddington genommen hat?
 Wir alle leben in unser eigenen Filterblase, wir nehmen andere Dinge war, als die Menschen unter uns. Ein Musiker hört die Melodie im Spiel des Windes, ein Geheimagent achtet auf das nervöse Zucken am Auge seines Gegenübers und eine alleinerziehende Mutter sieht die schmutzigen Fußabdrücke auf den Fliesen, die der Junggeselle ignoriert. Durch die Auswahl der Details, die eine Figur wahrnimmt, beschreiben wir nicht nur die Umgebung, und lassen lebendige Bilder im Auge des Lesers entstehen, sondern sagen auch etwas über die Figur aus, die sie bemerkt.
Wir erfahren die Welt durch die Augen des Betrachters, also unser Hauptfigur.

Gehen 3 Leute aus einem Treffen in einem Café miteinander heraus, so wird jeder verschiedenes in Erinnerung behalten: Der eine hatte nur Augen für die Kuchenauslage, der andere war beleidigt, dass er nicht als erstes begrüßt wurde, der dritte rollte innerlich mit den Augen, weil ihm das Geplapper der beiden anderen auf die Nerven ging.
Jede Figur kommt mit einem Paket an eigenen Meinungen, Wünschen, Vorurteilen und Unsicherheiten in eine Szene. Man kann dieselbe Szene aus der Sicht von drei verschiedenen Figuren schreiben und bekommt drei verschiedene Szenen heraus. Genau das würde ich vorschlagen, macht das mal, schreibt eine Szene, in der zunächst Judy, dann Jack, dann Jill sich in einem Café treffen.

Schreibaufgabe:

Wie denkt ihr jetzt, ich weiß doch gar nichts über Judy, Jack und Jill.
Genau darum geht es ja. Damit eine spannende, dynamische Szene entsteht, müsst ihr euch was über die Figuren ausdenken. Sie müssen eine Beziehung zueinander haben — gut oder schlecht — müssen einen Grund haben, sich zu treffen — oder sich zufällig zu begegnen — und müssen aufeinander reagieren. Vergesst auch das Setting nicht, was ist das für ein Café, in dem sie sich treffen, ist es Tag oder spät am Abend, regnet es, in welcher Stadt befinden sie sich (oder in welchem Jahrhundert). Und was denken die Figuren über diese Stadt und dieses Café, ist es ihnen vertraut oder sind sie fremd hier, fühlen sie sich wohl oder lehnen sie die Inneneinrichtung ab? 
Alles hat Einfluss auf die Figur und das, was die Figur über ihre Umgebung und andere Menschen denkt, charakterisiert sie.
Jetzt versucht in dieser kurzen Szene (ca. 1-2 Seiten) so viel wie möglich über den Hintergrund der Figur einzubringen (wer sind sie, was arbeiten sie, wie sehen sie aus, welche Lebensereignisse haben sie schon durchgemacht). Vergesst nicht, jedesmal durch die Augen des Perspektivträgers zu schreiben und alles durch seine persönliche Stimme zu färben.

Charakter Voice

 

Hier kommen wir zum letzten Werkzeug, mit dem man eine Figur lebendig werden lässt: Durch Charakter Voice.
Charakter Voice ist natürlich, wie eine Figur spricht, ihre Syntax und sprachlichen Eigenarten. Nicht nur Dialoge sollten von der ganz persönlichen Art des Figur eingefärbt sein, sondern auch alle Beschreibungen der Umgebung, denn wir beschreiben immer alles durch die Augen der Hauptfigur bzw. des jeweiligen Perspektivträgers bei Geschichten mit multiplen Perspektiven.). Wir haben ja schon gelernt, dass man alles durch die Augen der Perspektiv-Figur beschreiben sollte, also mit ihren Meinung, Vorurteile, Abneigungen und Vorlieben. Es gibt Bonus-Punkte, wenn man auch alles andere mit der ganz persönlichen Stimmlage und Wortwahl des Hauptcharakters beschreibt. Ganz besonders der Ich-Erzähler lebt nun einmal davon, dass eine Figur uns ihre eigene Sicht der Dinge mit eigenen Worten erzählt. Häufig ist es genau diese Stimme, die es ausmacht, dass uns ein Buch so gut gefällt.
(Der Autor kann auch selber eine ganz persönliche Stimme haben, in der Auktorialen Erzählform darf er mit seinen eigenen Ansichten und Meinungen glänzen.)
Viele Leser sind von der Erzählstimme eines Buches angezogen, selbst wenn der eigentliche Inhalt ihnen vielleicht gar nicht gefällt. Figuren können also auch auf ganz andere Art glänzen.

Hier ein Beispiel: Mickey Spillane „Regen in der Nacht“

*Klicken um zu Vergrößern *
Ich habe dieses Beispiel ausgewählt, weil es ein sehr gute Beispiel dafür ist, dass alles durch die Augen der Hauptfigur erzählt werden sollte. Alles in diesem Absatz ist von der Wahrnehmung und der persönlichen Meinung der Figur geprägt. Bis hin zur einzelnen Wortwahl.
Zunächst einmal fällt auf, dass die Figur, die da einsam durch die Nacht wandert, den Regen und die Kälte liebt. Das ist natürlich eine Charakterisierung. Was sagt es über eine Figur aus, wenn sie nachts einsam und allein im Regen durch die Stadt wandert? Sehr viel!

Schaut mal, wie oft der Regen und die Kälte erwähnt werden. Was schließen wir daraus?

-              Die Figur liebt Regen
-              die Figur bemitleidet sich selbst

Was noch?

-              Die Figur wird uns kaum äußerlich beschrieben.
-              einfaches Detail (hochgeschlagener Mantelkragen) reicht aus, um ein Bild im Kopf des Lesers entstehen zu lassen
-              Der Mann ist ein Privatdetektiv. Wie kommen wir darauf? Das wird nirgendwo explizit gesagt, und doch wissen wir es anhand seines Verhaltens. Er ist entweder ein Schnüffler oder ein Krimineller.
-              Das Wort „Fluppe“ wird oft wiederholt. Es ist ein charakterisierendes Detail,  wenn eine Figur Umgangssprache benutzt (und deutet auf ihren sozialen und kulturellen Hintergrund hin).
-              Wortwahl wie „Asphaltpfade“ / „Häuserschluchten“: Die Figur sieht die Stadt als Wildnis
-              Der Privatdetektiv sieht in der Stadt „Ein Dschungel aus Verbrechen und Gewalt“
-              Diese Figur fühlt sich von den anderen Menschen isoliert — beachtet das Wort „eingesperrt“: Er beneidet die Autofahrer nicht über ihren trockenen, beheizten Innenraum, er findet sie eingesperrt. Ist dies ein Hinweis darauf, dass die Figur ein Problem mit geschlossenen Räumen hat? Warum? Hat die Figur früher vielleicht schon einmal im Knast gesessen?

Solche kleinen Beschreibungen sind nicht willkürlich, die Worte sind wohlgewählt und präzise auf ihre Wirkung ausgesucht.
Der Leser denkt nicht bewusst darüber nach, warum der Autor ein bestimmtes Wort ausgewählt hat, oder warum die Autofahrer als eingesperrt beschrieben werden, er nimmt es als atmosphärische Beschreibung hin. Und das ist gut so. Wir als Autoren aber haben die Möglichkeit, dem Leser ins Unterbewusstsein zu telegraphieren, was wir meinen, ohne es direkt sagen zu müssen.

Es gibt eine Andeutung des (inneren) Konflikts (Dem Bedürfnis).

-              Ahnung, dass etwas nicht stimmt
-              Vielleicht ist jemand gestorben, Hinweise auf den Tod
-              ist die Figur suizifgefährdet und geht deswegen auf die Brücke?

Ihr findet bestimmt noch mehr.

Aber nicht der Autor ist es, der dem Leser den Tod als Motiv andeutet; die Figur ist es, die an den Tod denkt und daher ihre Umgebung mit Worten wie „gottverlassen“ beschreibt.
Wir erfahren in dem kurzen Absatz hier also schon viel über die Figur, wir kriegen ein ziemlich klares Bild von ihr, und doch wurde eigentlich nur das Setting beschrieben: Eine Straße bei Nacht in Manhattan im Regen. Ohne Infodump, ohne dem Leser direkt zu erklären, wer die Figur ist, wo sie herkommt, welchen Beruf sie ausübt und was ihre Vergangenheit ist.
Das ist Charakterisierung durch Setting.
Der Leser will die Figur Mike Hammer näher kennenlernen.
Mike Hammer beschreibt Manhattan und durch die Details, die er benutzt, kapieren wir, dass Hammer die Stadt und ihre Bewohner gut kennt, dass er Straßenwissen hat und dass man ihn kennt. Es ist keine sichere Gegend, Gestalten lauern in den Hauseingängen, und doch lässt man Mike Hammer in Ruhe.
Was will er nachts auf der Brücke nach Manhattan? Will er sich selbst gar das Leben nehmen? Wir wissen es nicht, aber wir bekommen in diesem kurzen Absatz ein Gespür für sein Innenleben und das alles durch Beschreibungen des Settings durch die Augen der Figur! Achtet mal darauf, wenn ihr das nächste Mal ein Buch liest, wie das Setting beschrieben wird und gleichzeitig durch die Wahl der Worte die Hauptfigur beschrieben wird.
Das ist ein kleiner Trick, den ich euch heute beibringen wollte. Das ist nichts, was man in einer halben Stunde lernt, dafür braucht es viel Übung. Aber wenn man das kann, wenn man es schafft, seine Beschreibungen so zu verfassen, dass sie durch die Augen, Gedanken und Gefühle der Hauptfigur gefiltert werden, dann schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe: Man lässt die Szene für den Leser bildhaft entstehen und zusätzlich die Figuren lebendig werden.

Und das ist ein Trick, wie man Figuren voneinander unterscheidbar macht: 
Wenn ihr mehrere Perspektivträger habt, dann sind es ihre Meinungen und ihre Sicht auf die Dinge, die Details, die sie im Setting hervorhebt und wie sie die Umgebung sieht, was diese Figur unterscheidbar macht von allen anderen Figuren.

Mittwoch, 19. Juni 2019

Webinar "Figurenentwicklung"



Ich wurde eingeladen, für den  Selfpublisher-Verband ein Live- Webinar mit dem Thema "Figurenentwicklung" zu geben!

Eine Interessante Hauptfigur ist unzweifelhaft das Wichtigste an einer unvergesslichen Geschichte.

Wie aber erschafft man lebendige Figuren, an die Leser sich noch lange erinnern werden?
In diesem Webinar erfährt  man:

-  wie Hauptfigur, Plot + Setting zusammengehören
- was der Unterschied zw. charakter-driven und plot-driven ist
-  wie die Wandlung der Hauptfigur den Kern der Geschichte ausmacht
- we das want & need (das Ziel und das Bedürfnis) einer Hauptfigur die Handlung formen
-  wie man Figuren durch das Setting charakterisiert
- was einen Protagonisten ausmacht und warum er nicht passiv sein sollte

Selfpublishing-Autorin Jana von Bergner moderiert das Webinar und führt mit mir am Ende eine Fragen & Antwort-Runde, aber auch während des webinars können Fragen gestellt und über das Thema live diskutiert werden.

Das Webinar steht allen Mitgliedern des Verbandes kostenlos zur Verfügung. Wer zu dem Termin nicht live dabei sein kann, kann sich später eine Aufzeichnung ansehen.

Ich freue mich auf zahlreiche Teilnehmer und eine anregende Diskussionsrunde!

Wann: 27.6.2019
Uhrzeit: 19:00 Uhr


Hier geht´s zu Anmeldung:
https://www.selfpublisher-verband.de/weiterbildung/

P.S.: Leider steht das Webinar nur Mitgliedern des Verbandes offen. Vielleicht ein guter Grund, Mitglied zu werden und auch von den vielen anderen Vorteilen und Weiterbildungsmöglichkeiten des Verbandes zu profitieren ...

Freitag, 29. März 2019

Autorenwelt- Shop: Fair Trade für Autoren




Kennt ihr schon den Shop der Autorenwelt?


Gestern war Meiner Einer im Writers Room – dem einzigen Co-Working Space  für Autoren in Europa. Der raum liegt etwas versteckt in einer Dachkammer der ehemaligen Dosenfabrik in Hamburg. Man muss erst einmal an einem Box-Club vorbei, wo Martial Arts trainiert und auf Sandsäcke eingehauen wird, dann gelangt man ganz oben in die Räume des Writers Room, wo an diesem Abend Sandra Uschtrin zu Gast war. Außer den Mitgliedern des Writers Room waren noch einige Mitglieder des BVJA (Bundesverbands junger Autoren) sowie des Selfpublisher-Verbands im Publikum und andere Interessierte Autoren und Autorinnen.
Die sympathische Sandra Uschtrin, Herausgeberin der Federwelt und des Selfpublishers, war extra nach Hamburg angereist, um ihre Autorenwelt (eine Website mit nützlichen Links, News und Forum für Autoren) vorzustellen, sowie das Autorenprogramm für den angeschlossenen Buch-Shop. Hier können Bücher (die bei LIBRI gelistet sind) online bestellt werden, sie werden versandkostenfrei nach Hause geliefert — doch es kommt noch besser!
Die Online-Buchhandlung der Autorenwelt beteiligt Autorinnen und Autoren, die am sogenannten Autorenprogramm teilnehmen, mit 7 % vom Ladenverkaufspreis an den Verkaufserlösen. Das ist deutschlandweit einmalig, wenn nicht sogar weltweit.
Für Autorinnen und Autoren wird es leider immer schwerer, mit dem Schreiben Geld zu verdienen. Mehr und mehr Buchtitel von Verlagen und Selfpublishern konkurrieren um die Gunst der Käufer; gleichzeitig sinken die Auflagenhöhen bei stagnierenden Buchpreisen. Die sogenannte Midlist bricht immer mehr weg und nur Bestseller können vom Schreiben leben.
Umso wichtiger ist jeder Cent aus den Einnahmen für Autoren, auch um eine Vielfalt an Büchern am Markt erhalten zu können. Der Autorenshop beteiligt erstmalig Autoren an den Verkäufen ihrer Bücher, indem er 7% vom Ladenverkaufspreis weiterreicht. 

7 % vom Ladenverkaufspreis für Autoren


7 Prozent vom Ladenverkaufspreis eines Buches – das ist ja nicht viel, mag manch einer denken. Aber das ist eine ganze Menge. Wenn man bedenkt (und was viele vielleicht nicht wissen) liegen die Autorenhonorare üblicherweise bei 5–10 Prozent vom (Netto) Ladenverkaufspreis je verkauftes Buch. Ein Autor verdient also in der Regel nicht mehr als ca. 0,70 € aus dem Verkauf eines Buches. Mit dem Geld vom Autorenwelt-Shop kann ein Autor also seine Einnahmen in etwa verdoppeln!
Das Thema Autoren-Vergütung und Verlagsverträge hatten wir ja schon einmal hier in meinem Blog, alles darüber kann hier ausführlich nachgelesen werden, aber auf der Seite der Autorenwelt hat Sandra Uschtrin noch einmal eine sehr informative Beispiel-Rechnung aufgemacht, was vom Verkaufspreis eines Buches eigentlich alles abgeht, wer wie viel daran verdient und was dann für den Autor übrigbleibt. Weil das etwas ist, das eigentlich jeder Autor wissen sollte, gebe ich diese Rechnung hier einmal wieder (den original Post findet ihr hier):

Wer bekommt wie viel beim Verkauf eines Buches?


Hier ein Rechenbeispiel: Von einem Buch, das im Laden 10,70 Euro kostet, erhalten Verlag und Buchhandel (Groß- und Einzelhandel) jeweils rund 5,00 Euro. Oder genauer:
10,70-Euro-Buch (Bruttoladenverkaufspreis)
./. Staat: 0,70 EUR (7 Prozent MwSt.)
= 10,00 Euro Nettoladenverkaufspreis (NLVP)
A) Verlag: ca. 5,00 Euro = 50 %
  • ./. Autorin: 0,80 Euro (hier: 8 % vom NLVP)
  •  ./. Lektorin, Korrektor, Grafikerin, Setzer (intern/extern)
  • ./. Druckerei
  • ./. Vertrieb (Verlagsvertreter, Auslieferung; Werbung)
  • ./. Gemeinkosten (Miete, Personal etc.) etc.
B) Großhandel: ca. 2,00 Euro = 20 %
(Der Großhandel kauft das Buch zum Preis von ca. 5,00 Euro vom Verlag [= ca. 50 % Rabatt] und verkauft es an die einzelnen Buchhandlungen für ca. 7,00 Euro). Von den 2,00 Euro Differenz bestreitet der Großhandel die Kosten für:
  • ./. Personal
  • ./. Lagerräume
  • ./. Maschinen
  • ./. Material (Verpackung)
  • ./. Logistik, Gemeinkosten etc.
C) Buchhandlung, stationär oder online: ca. 3,00 Euro = 30 %
(Die Buchhandlung kauft das Buch für ca. 7,00 Euro vom Großhandel [oder direkt beim Verlag] und verkauft es an den Endkunden/Leser für 10,70 Euro brutto). Von diesen 3,00 Euro bestreitet die Buchhandlung die Kosten für:
  • ./. Personal (Verkaufspersonal; IT-Spezialisten)
  • ./. Miete für Räume
  • ./. Marketing, Werbung
  • ./. Online-Shop (Server, Hosting, Hardware- und Software) etc.
Der Verlag verdient also 5,00 €, der Großhandel 2,00 €, der Buchhändler 3,00 € und der Autor etwa 0,70 €. Mit dem Zuschuss des Shops der Autorenwelt kann der Autor seine Einnahmen auf etwa 1,40 € erhöhen.
Na, das ist doch was :)

Was bleibt beim Autorenwelt-Shop hängen?


Bestellt eine Kundin ein 10,70-Euro-Buch (Ladenverkaufspreis) im Autorenwelt-Shop, kauft die Autorenwelt es für ca. 7,00 Euro beim Buchgroßhändler Libri ein.
Von den 3,00 Euro, die nach dem Verkauf übrig sind, zahlt die Autorenwelt:
  •  ./. Versandkosten (Libri verschickt das Buch im Auftrag der Autorenwelt an die Kundin. Hierfür berechnet Libri Versandkosten, die je nach Gewicht des Buches unterschiedlich hoch sind.)
  • ./. 0,75 Euro (= 7 % vom Bruttoladenverkaufspreis) an den Autor.
Diesen Zuschuss kann der Autorenwelt-Shop nur zahlen, weil sie als Online-Händler wenig Kosten haben (Keine Raummiete, Personal ect.), und weil sie auf Einnahmen verzichten und wirklich, wirklich selbstlos Autoren unterstützen wollen. Bei einem 10,70-Euro-Buch bleiben der Autorenwelt nur ca. 0,50 Euro übrig. Davon hat die Autorenwelt alle weiteren Kosten zu bestreiten, zum Beispiel für die Entwicklung und den Betrieb der Plattform/des Shops oder für das Personal. Reich wird man als Buchhändler damit nicht. Mit dem Autorenwelt-Shop macht die Autorenwelt noch keinen Gewinn. Derzeit werden etwa acht Bücher pro Tag für insgesamt 120,00 Euro im Shop bestellt. Das sind täglich ungefähr 8,40 Euro, die direkt oder indirekt an die AutorInnen fließen. Multipliziert mit 365 Tagen sind das im Jahr etwa 3.066,00 Euro.
Sandra Uschtrin stellet dieses Konzept also gestern Abend vor einem sehr interessierten Publikum aus Autoren im Writers Room vor und ihre Vision und Ideen für eine gemeinschaftliche Zukunft des Shops (bis hin zur Genossenschaft um Autoren noch mehr an den Einnahmen zu beteiligen) gefallen mir sehr. Ich bin wirklich überzeugt, dass dies Zukunft hat, und Frau Uschtrin mit der Autorenwelt ein ambitioniertes und ideologisches Projekt geschaffen hat, dass allen Beteiligten helfen kann. Frau Uschtrin handelt dabei wirklich rein altruistisch.
Dafür spricht auch, dass die bisherigen Überschüsse aus dem Autorenwelt-Shop (Einnahmen aus Verkäufen, die nicht einem Autoren zugeordnet werden konnten, weil dieser nicht am Autorenprogramm beteiligt ist oder gemeinfreie Bücher wie z.B. Goethe) an das Netzwerk Autorenrechte gespendet wurden. 3,000 € wurden auf der Leipziger Buchmesse #lbm19 übergeben: „Stellen Sie sich vor, der Autorenwelt-Shop würde täglich 800 Bücher verkaufen. Große Buchhandlungen machen das. Dann kämen den Autoren und ihren Verbänden über 300.000,00 Euro zugute“, sagt Sandra Uschtrin.

Ein tolles Ziel!

Auch Übersetzer und Illustratoren sollen in Zukunft am 7 5 - Programm teilnehmen können. Der Shop wächst zur Zeit immer weiter und auch eine „Blick-ins-Buch“- Funktion wie bei Amazon ist geplant. Doch all dies braucht Zeit und Kosten für die Umsetzung.
Selfpublisher können übrigens genau wie Verlagsautoren am Autorenprogramm teilnehmen — wenn ihre Bücher bei LIBRI gelistet sind, so z.B. Bücher über BOD. Bücher von Epubli sind leider nicht vertreten, da diese über KNV geliefert werden. Ebooks sind zur Zeit aus technischen und rechtlichen Gründen noch nicht vertreten, sollen aber in Zukunft ebenfalls im Autorenshop verkauft werden.
Unterstützt den Autorenwelt-Shop indem ihr nicht nur euch für das (kostenlose) Autorenprogramm anmeldet (Hier), sondern auch, indem ihr eure Bücher dorthin verlinkt und Leser darauf aufmerksam macht, wo man Fair Trade-Bücher erwirbt.
 
https://shop.autorenwelt.de/

Wie kann ich am Autorenprogramm teilnehmen?


Das ist ganz einfach: Auf https://autorenprogramm.autorenwelt.de/users/sign_in gehen und sich registrieren. (Achtung: Für das Autorenprogramm müssen Sie sich gesondert anmelden. Das Anmelden und Sich-Einloggen auf der Autorenwelt reicht hierfür nicht aus.)
Zur Teilnahme benötigen wir von Ihnen einige Daten und Unterlagen. Insbesondere wird im Verlauf des Anmeldeprozesses gebraucht:
  • Bankverbindung, damit wir Ihnen Ihren Anteil an Ihren Buchverkäufen überweisen können.
  • Einen Identitätsnachweis, damit wir sichergehen können, dass Sie auch wirklich Sie sind.
  • Die Bücher, mit denen Sie am Autorenprogramm teilnehmen wollen. Diese können Sie auf dieser Seite nach dem Anmeldeprozess komfortabel auswählen.
Auch Bücher, die unter Pseudonym geschrieben wurden, können angemeldet werden. Dafür muss kein weiterer Account erstellt werden. Nachdem der Account bestätigt wurde, kommt man zu einem Dashboard, in dem man seine Verkäufe einsehen kann. Eine Ausschüttung erfolgt ab 10,00 € Guthaben.

Und wie erfahren jetzt die Leser von diesem tollen Shop?


Da sind wir Autoren gefragt: Damit die Bücher nun auch fleißig im Autorenshop und nicht bei einem der vielen anderen (Online-)Händler gekauft werden, muss der Shop erst einmal bekannt werden und sich erst herumsprechen. Noch nehmen erst 800 AutorInnen am kostenlosen Autorenprogramm teil, und nicht viele Leser wissen von dieser Möglichkeit, ihre Lieblingsautoren zu unterstützen. Daher ist es hilfreich, wenn ihr auf euren Homepages und Social-Media- Plattformen auf den Shop aufmerksam macht und eure Bücher dorthin verlinkt (anstatt zum großen A.)
Unter https://www.autorenwelt.de/materialien-lesermarketing gibt es Banner, Schriftzüge und Logos zum runterladen und einbinden auf websites. Es können auch Postkarten und Sticker angefordert werden, die ihr dann fleißig verteilt. Einfach eine E-Mail an autorenprogramm@autorenwelt.de dann werden diese per Post zugeschickt.

Auf das der Autorenwelt-Shop wächst und gedeiht.

Was meint ihr? 

Kanntet ihr den Autorenshop bereits oder hört ihr zum ersten Mal davon?
Wird Deiner Einer sich am Autorenprogramm beteiligen und den Shop seinen Lesern empfehlen?
 
Schreibt mir doch von euren Erfahrungen!

Mehr über Autorentantiemen und Verlagsverträge Hier: Ich schreibe ein Buch und werde reich!