Freitag, 14. Dezember 2012

"Save the Cat!"- Story Structure



Noch immer verloren in der Mitte, keine Ahnung wie Du den 2. Akt deines Romanes gestalten sollst? Auf der Suche nach einer Formel und Struktur?
Keine Sorge, Hilfe ist unterwegs: “Save the Cat!“ - Blakes Snyders Beat Sheet.


Auf der Suche nach einem Schreibratgeber, der eine Geschichte etwas feiner unterteilt, als bloß in zwei Wendepunkte und „etwas dazwischen“, wurde mir von drehbuchschreibenden Kollegen das Buch „Save the Cat!“ von Blake Snyder ans Herz gelegt.
Drehbuchschreiber haben eine ganz andere, erfrischende Herangehensweise an Geschichten, als Romanschreiber. Sie reden von Stoffen, Sequenzen, Pitch und Settings … und die Eingeweihten unter ihnen auch von Beats.


Was sind Beats?


Blake Snyder hat eine Formel für das Drehbuchschreiben aufgestellt, indem er die einzelnen Akte in weitere kleine Einheiten zerlegt und diese mit ihrer Aufgabe und Position innerhalb des Textes benennt.
Deiner Einer mag eine solche Formel zu steif und zu einengend vorkommen; mir nicht. Die Beats sind allgemein gehalten, wie man den Inhalt ausführt, wie man die geforderte Aufgabe eines Beats umsetzt, darin liegt ja die Kreativität. Was für Blake Snyder allerdings unveränderlich ist, ist die Position. Er gibt sogar exakte Seitenangaben, wann ein Beat zu erscheinen hat, also zum Beispiel der
1. Wendepunkt auf Seite 25 (wohlgemerkt eines Drehbuches).


Nur da und nirgendwo anders.
Das sind Anforderungen, wie sie das Blockbuster-Kino Hollywoods tatsächlich stellt und ein Schreiber, der an die großen Studios verkaufen will, tut gut, sich daran zu halten.
Wir Romanschreiber aber haben mehr Freiheiten.
Dennoch macht es Sinn, sich mit der Gewichtung der einzelnen Teile seiner Geschichte Mühe zu geben.


So sollte der 1. Akt 25%, der 2.Akt 50% und der 3.Akt wiederum 25% einer Geschichte ausmachen.
Weicht man allzusehr von dieser Daumenregel ab, läuft man Gefahr, dass sein Manuskript offBalance ist, man also Teile hat, die zu lang sind und den Leser mitunter langweilen.
Andere Autoren haben sich die Mühe gemacht, die Seitenangaben von Blake Snyder von Drehbuchangabe auf Normseiten eines Romanmanuskriptes umzurechnen, das geht am besten mit diesem praktischen Beat-Sheet-Rechner.

Aber was genau sind denn nun die einzelnen Beats aus Save the Cat?

Man findet dort im 1. Akt so altbekannte Sachen wie den „Catalyst“ = den auslösenden Moment, der bei Blake Snyder aber nicht mit dem ersten großen Wendepunkt identisch ist.
Das war die erste Erleuchtung für mich:


Es gibt einen auslösenden Moment, ein Ereignis (eine Katastrophe, ein Angebot, einen Call-to-action) doch dieses führt nicht unmittelbar zu einer Reaktion, sondern ist gefolgt von einem Moment des Zögerns und des Nachdenkens („Debate“) bevor der „Break in Act II“ erfolgt, dem großen Wendepunkt I also.
Dieser Wendepunkt sollte aus einer freiwilligen Entscheidung des Protagonisten heraus entstehen, keinesfalls sollte der Protagonist gezwungen werden oder keine andere Wahl haben. Es gibt immer eine andere Wahl (auch wenn diese unangenehm ist.) Ohne diese Entscheidung des Protagonisten gäbe es keine Geschichte. Er entscheidet sich für die Handlung.
Dann kommt der zweite Akt und auch dort wartet eine Überraschung auf mich: Blake Snyder findet in Geschichten einen „Midpoint“: der zweite Akt ist noch einmal sauber in zwei Hälften unterteilt.
Das macht Sinn!
Dieser Midpoint sorgt für einen Umbruch in der Geschichte, der nicht nur in den meißten Filmen visuell sichtbar ist, weil er z.b. von einer hellen Stimmung in eine düstere wechselt, sondern auch emotional spürbar. Von hier an wird für den Protagonisten alles schlimmer.
Man könnte also beinahe von einem dritten Wendepunkt in der Mitte der
Geschichte sprechen.
 Gerne würde ich hier näher auf die einzelnen Beats eingehen und sie euch in einer Kurzzusammenfassung vorstellen, aber das wäre nicht fair.
Diese Beats und die Theorie dahinter machen den Kern von Blake Snyders Werk aus, und wer sich dafür interessiert, sollte seinen Ratgeber kaufen. Der Autor (der inzwischen verstorben ist) hat mit seinen „Beat
Sheets“ Generationen an Hollywoodautoren beeinflußt und sein Ansatz
wird noch immer von den Großen gelehrt. Das Buch „Save the Cat!“ ist ein Klassiker unter den How-to-Drehbuch-Ratgebern und mit seinen günstigen 11,- Euro in der Ebook-Version die Anschaffung allemal wert. Nicht nur wegen der darin detailliert erklärten „Beats“, sondern auch wegen seiner unkonventionellen und genialen Klassifizierung von Genres.
Der launige Ton und Blakes augenzwinkernde Anekdoten über Hollywood haben das Buch insgesamt sofort zu einem meiner Lieblingsratgeber werden lassen.
Aber sowas von!


Die Universelle Story- Struktur

Blake Snyders Beat Sheet (und ähnliche Plotmodelle) bieten eine Plotstruktur, die sich an dem antiken Dramenmodell der 3-Akte orientiert und mit deren Hilfe man die Handlung eines Romans in obligatorische Szenen hinunterbrechen kann. Nachdem man die Grundidee festgehalten hat (Die Hauptfigur und ihr Ziel, das sie erreichen will, sowie die antagonistische kraft, die sich ihr entgegenstellt), fängt man an, die einzelnen Szenen stichwortartig auf Index-Karten festzuhalten.
Index-Karten sind deshalb so gut dafür geeignet, weil sie einen zwingen, bei kurzen Notizen zu bleiben, so dass man nicht zu sehr ins Ausformulieren gerät, und weil sie außerdem problemlos in der Reihenfolge durchgetauscht werden können. Am besten breitet man alle Szenen-Karten vor sich aus (auf einem breiten Tisch oder dem Fußboden) oder hängt sie an die Wand, um einen Überblick zu bekommen. Die Szenen sollten dann der Chronologie der Ereignisse nach ausgebreitet werden — aber nicht vergessen: Eine Erzählung muss nicht chronologisch sein, sie kann vorgreifen oder Rückblenden enthalten!
Wenn man noch nicht für alle Plotpoints eine Idee hat, so lässt man diese erstmal aus, und platziert eine leere Index-Karte. So bekommt man einen guten Überblick, welche Plotpoints (Beats) in der Geschichte noch fehlen, und wo man sich noch Gedanken machen muss.

Blake Snyders Beat- Sheet (ergänzt durch ein paar Scriptdoktor Plotpoints!)


1)      Opening image (Einführung der Hauptfigur): Ein charakterisierender Schnappschuss aus dem Alltag der Hauptfigur, knapp bevor sich ihr Leben auf den Kopf stellt und sich alles ändert. 
2)      Set up: Einführung aller weiteren wichtigen Figuren, Elemente und des Gefühls, dass etwas nicht stimmt und eine Änderung geschehen wird.
3)      Theme stated (Nennung des Themas): Die Wahrheit, Aussage oder Erfahrung, die die Hauptfigur durchlaufen muss, auch wenn sie sie an dieser Stelle noch nicht versteht oder gar verneint. Das Thema stellt eine moralische Frage/ Dilemma, die am Ende beantwortet werden muss.
4)      Catalyst / Inciting Incident (Auslöser):  etwas geschieht, dass das normale Leben der Hauptfigur auf den Kopf stellt; das Ereignis, dass den Hauptkonflikt auslöst; der Ruf ins Abenteuer. Der Antagonist tritt hier häufig in Erscheinung.
5)      Debate (Zögern): Die Hauptfigur zögert, das Abenteuer anzunehmen; Was steht auf dem Spiel? wird formuliert
6)      Break in Act II (Aufbruch in den II. Akt): Die Hauptfigur trifft die Entscheidung, den Ruf des Abenteuers anzunehmen, sich dem Problem zu stellen und ihr Ziel aktiv zu verfolgen.
7)      B-Story (Nebenhandlung): Der Konflikt einer Nebenfigur (die vielleicht bereits in 2)Set up vorgestellt wurde) wird eingeführt oder vertieft. Normalerweise  ergänzt die B-Story das  Hauptthema  oder  beleuchtet es von einer anderen Seite. Sidekicks, Buddys und Loveinterests, aber auch Mentoren und Feinde können hier auftreten.
8)      Promise of the premise (Fun  and  Games):  Die Hauptfigur  in ihrer  neuen  Welt;  hier  wird  die  Prämisse erfüllt. Handelt es sich um einen Actionthriller, gibt es hier eine Verfolgungsjagd, bei einer Liebesgeschichte eine Liebesszene, in einer Komödie etwas zu lachen und in einem Krimi die Verfolgung von Spuren.
9)      Temporary Triumph (vorübergehender Triumpf): Bei der Verfolgung ihres Ziels erlebt die Hauptfigur entweder kurzzeitigen Erfolg oder einen Misserfolg. In jedem Fall verkompliziert sich das Problem und das Tempo und die Spannung steigt.
10)   Midpoint (Reversal): Der Midpoint stellt die exakte Mitte des Buches dar. Hier muss etwas geschehen, dass alles, was die Hauptfigur bisher erreicht oder verstanden hat, wieder in Frage stellt. Neue Informationen, falsche Fährten, Verrat, Geheimnisse und Lügen sorgen dafür, dass die Hauptfigur ihr Ziel nicht auf dem Weg erreichen kann, den sie bisher eingeschlagen hatte.
11)   Bad guys close in (Bösewichter schlagen zu): Der Antagonist oder seine Helfer treten auf den Plan und stellen dem Helden weitere Hürden in den Weg. Kommt es zum Kampf, verliert der Held.
12)   All is lost (Alles ist verloren): Für den Helden sieht es schlecht aus: Seine Pläne sind gescheitert, sein Ziel in unerreichbare Ferne gerückt, der Antagonist hat (scheinbar) gewonnen. An dieser Stelle tritt häufig der Tod auf (ein Mentor, Freund oder Verbündeter stirbt.)
13)   Dark night of the soul (Düsterster Moment): Der Held ist am Ende und an dieser Stelle tritt seine innere Wunde zutage (sein want/ need kämpfen gegeneinander), alle Hoffnung scheint verloren.
14)   Break in Act III (Aufbruch in den III. Akt): Eine neue Information, Eingebung oder die Hilfe eines Verbündeten (häufig durch die B-Story) schüren wieder Hoffnung. An dieser Stelle erkennt die Hauptfigur manchmal ihren inneren Konflikt (Need) und was sie braucht, um ihr Ziel zu erreichen. Sie trifft die Entscheidung, es ein letztes Mal zu versuchen und sich dem Antagonisten zu stellen.  Ab hier gibt es kein Zurück!
15)   Final obstacle (Final Obstacle): Manchmal gibt es noch eine letzte Hürde (einen Handlanger, eine Falle, oder ein Problem aus der B-Story) zu überwinden, bevor der Held auf den Antagonisten trifft.
16)   Showdown (Finale): Die Hauptfigur tritt in ihrer neuen, stärkeren, erleuchteten Version dem Antagonisten gegenüber und es kommt zur finalen Konfrontation. Der Held hat seine Lektion aus dem Thema gelernt und wendet all seine neuen Erkenntnisse, Fähigkeiten oder Waffen gegen den Antagonisten an und erreicht sein Ziel.
17)   Pay off theme (Die Moral von der Geschichte): Die Lehre, die die Hauptfigur gezogen hat, wird ausgesprochen.
18)   Resolution (Auflösung): Alle noch offenen Handlungsstränge werden gelöst und auch die B-Story zu einem Abschluss geführt.
19)   Final Image: Der Held kehrt häufig zurück in seine alte Welt, aber er ist verändert. Spiegelung zum 1) opening image.              


Und nachdem wir uns das nun sorgfältig durchgelesen haben, kommen wir zu einer neuen, etwas feineren Grafik, was den Aufbau einer Geschichte in drei Akte angeht:
*Klicken um zu vergrößern*



Wenn man dieser Struktur folgt und die einzelnen Punkte stichwortartig für sich festhält, kommt man schon auf ein ziemlich gutes Skelett. Wie du siehst. Man kann dieses jetzt nutzen, um ein Exposé oder eine ausführliche Synopsis zu schreiben, um sich bei Verlagen zu bewerben. Oder man hangelt sich an diesem Gerüst lang, und schreibt seine Geschichte. Man hat ja jetzt schon alle wichtigen Szenen und muss diese nur noch ausformulieren.
Natürlich passiert es, dass man beim Schreiben feststellt, dass etwas nicht funktioniert, oder dass man neue, bessere Ideen bekommt. Das ist in Ordnung, dann passt man sein Gerüst (seine Index-Karten) einfach an.
Viele nutzen diese Methode um Projekte vor dem Schreiben zu durchdenken; dabei experimentieren sie mit den Positionen der einzelnen Szenen, fügen welche hinzu, oder verschieben sie. Das kann bei manchen Projekten einige Zeit in Anspruch nehmen; vor allem die wichtigen Wendepunkte (Break in Act I, Break in Act II und der Midpoint) sowie das Finale bereiten einem manchmal Probleme. Es kann viel Zeit und viel Brainstorming in Anspruch nehmen, die Lösung für ein Plotproblem zu finden. Aber mit Hilfe der Indexkarten kann man ein Projekt gut in der Schublade haben und immer mal wieder daran feilen.
Wem echte Index-Karten zu aufwändig sind, weil er keinen Platz hat, diese an die Wand zu hängen oder auszubreiten, der kann auf Schreibprogramme wie Scrivener oder Papyrus zurückgreifen, die Index-Karten symulieren.

Wenn man dieser Struktur folgt und die einzelnen Punkte stichwortartig für sich festhält, kommt man schon auf ein ziemlich gutes Skelett. Oder man stellt fest, dass man instinktiv sich in seinem ersten Entwurf bereits daran gehalten hat.
Auch zum Überprüfen und Redigieren eines fertigen Textes ist die Blake Snyder Methode sehr hilfreich.


Aristoteles hätte es gefallen.
Oder, Ari?

Denn es ist ebenso wie bei der Malerei. Denn wenn einer die schönsten Farben ohne Plan auftrüge, so würde er weniger angenehmen Effekt machen, als wenn er ein Bild mit der Kreide zeichnete.“ - Aristoteles

Genau.

Mittwoch, 5. Dezember 2012

Der Akt mit den drei Akten – Teil II



Bildquelle: gettyimages.com


Wie versprochen sehen wir uns nun die drei Akte einmal genauer an.
Steigt ein in eine Achterbahnfahrt durch drei Akte.

Akt I

Am Anfang der Geschichte wird die Hauptfigur in ihrem normalen Alltag gezeigt. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: entweder (a) die Hauptfigur ist mit ihrem Leben und den äußeren Umständen komplett zufrieden und glücklich und es gibt keinen Grund für sie, etwas zu ändern (dennoch gibt es einen „inner need“/ einen Wunsch/ eine geheime Angst oder Sehnsucht, die die Figur in sich trägt).
Oder (b) die Figur lebt in unschönen Umständen und wünscht sich nichts sehnlicher, als aus ihrem unerträglichen Dasein auszubrechen.
Wendepunkt I:
Bringt dann ein Ereignis, das alles bisherige über den Haufen wirft. Nichts ist von nun an mehr wie es war. Dem Protagonisten tut sich eine einmalige Chance auf, sein Leben zu ändern (b) oder eine Katastrophe nimmt ihm alles was er liebt und wofür er steht (a).
Dieses Ereignis sollte als totale Überraschung kommen und zwingt den Hauptcharakter zum Handeln. Er muss eine Entscheidung treffen, die den ganzen weiteren Verlauf der Geschichte beeinflussen wird.
Am emotional stärksten sind solche Ereignisse, die den Charakter zwingen, sich seinem „inner need“ zu stellen: etwas, dem er unter normalen Umständen auf Teufel komm raus ausweichen würde.

Akt II

Die Hauptfigur hat also eine Entscheidung getroffen und macht sich auf den Weg.
Doch der Weg zum Ziel ist mit Hindernissen gepflastert. Die Mitte einer Geschichte beschäftigt sich mit diesen Hindernissen. Wie viele Hindernisse und welcher Art sie sind, hängt von der Geschichte ab. Wichtig ist dabei, dass die Hauptfigur bei all diesen Zwischenstationen etwas lernt und dass die Messlatte zum Erreichen seines Zieles immer höher gelegt wird. Der Charakter sollte eine emotionale Achterbahnfahrt durchlaufen, es kann überraschende Wendungen geben, unerwartete Gegner und Helfer, sowie neu entdeckte Fähigkeiten oder Waffen – aber bei allem darf das Ziel nicht aus den Augen verloren werden und die Handlung muss unweigerlich auf die große Konfrontation zuführen.
Wendepunkt II:
Der zweite Wendepunkt markiert das Ende des 2. Aktes und bringt den Charakter noch einmal aus dem Gleichgewicht – und gibt der Geschichte eine neue (unerwartete) Richtung.
Wendepunkt II passiert an der Stelle an der der Hauptcharakter an seinem tiefsten Punkt angelangt ist. Er ist besiegt oder geschlagen, alles scheint verloren, er ist verzweifelt, sieht keinen Ausweg und das Ziel scheint unerreichbar. Doch dann passiert etwas, dass die Situation komplett verändert. Das Ziel scheint auf einmal doch wieder erreichbar, Hoffnung keimt auf.
(Je tiefer gesunken und je verzweifelter die Lage war, desto emotional stärker wird der folgende Höhepunkt. Von ganz unten nach ganz oben. In hundert Sekunden. Jippieh, Achterbahn!)
Der Wendepunkt II ruft dem Charakter das Erlernte ins Gedächtnis, nun ist es Zeit seine Erfahrungen aus dem 2. Akt (die Fähigkeiten und „Waffen“, die er errungen hat) einzusetzen und sich nun vorbereitet der Gefahr entgegenzustellen.

Akt III
Im dritten Akt kommt es dann endlich zur finalen Konfrontation, die Hauptfigur erreicht ihr Ziel, besiegt alle Feinde oder überwindet ihren inneren Konflikt. Sie geht gestärkt oder zumindest verändert aus der Geschichte heraus, hat also eine innere Wandlung vollzogen, die auch äußerlich gezeigt werden sollte.
Am Schluss werden dann nur noch lose Enden aufgesammelt, Nebenhandlungen abgeschlossen und die Hauptfigur in ihrem neuen, besseren Leben mit ihrem neuen besseren Selbst gezeigt- der Leser sollte die innere Wandlung der Hauptfigur (und evtl. der Nebenfiguren) gezeigt bekommen, den Erfolg über den Sieg gemeinsam mit ihm genießen (und sei es nur für einen kurzen Moment).
Der Mönch kommt verändert aus der Achterbahn. Guckt mal, wie er grinst.
Sein Grinsen soll dein Grinsen werden.



Die ist natürlich noch immer nur eine recht allgemeine Formel, die nicht immer ausschließlich auf alle Geschichten zutreffen kann. Aber sie hilft, sich Gedanken über den Aufbau und die Struktur seiner Geschichte zu machen, bevor man sie schreibt, oder – wenn sie schon geschrieben ist – um sich Gedanken für das Überarbeiten zu machen. Was sollen die einzelnen Bauteile einer Geschichte leisten, ist alles drin und an der richtigen Stelle oder fehlt vielleicht gar etwas?
Und wenn dein Entwurf sehr grob von dieser Struktur abweicht, könnte es Zeit sein für den Scriptdoktor.

Hier geht es weiter mit dem Aufbau von Storys: Save the Cat!

 

Mittwoch, 28. November 2012

Der Akt mit den Drei Akten - Teil I

Eines der ersten Dinge, die man übers Geschichtenerzählen lernt, ist, dass eine Story (egal, ob kurz oder lang, Roman oder Witz) aus drei Teilen besteht.

Anfang
Mittelteil
Schluss

Diese Erkenntnis hatten schon die alten Griechen, lange vor der Weltwirtschaftskrise. So sprach schon Aristoteles in seiner “Poetik” : “Ganz aber ist das, was Anfang, Mitte und Ende hat.”
Ja, ja, der war ein schlauer Fuchs, der Aristoteles.

Mir persönlich bereitet ja immer die Mitte besondere Probleme. Deswegen habe ich mir das Ganze noch einmal genauer angesehen und mich intensiver mit Aufbau und Struktur einer Geschichte beschäftigt. Mit dem, was die einzelnen Akte leisten müssen, wie sie aufgebaut sein sollten, wo die Trennung ist und wie sie ineinander übergehen. Und dabei hat Meiner Einer wieder einmal erstaunliches (und hilfreiches) gelernt.
Bevor wir uns aber nun meinen Erkenntnissen über die Graue-Haare-verursachende-Mitte zuwenden, gibt es jetzt vorher noch einen Crashkurs in Sachen:
Grundlagen zum Aufbau einer Story

Der Grundaufbau in 3 Akten sieht aus wie folgt (es gibt auch 5-Akter, aber die lassen wir für den Moment außen vor):
Jede simple Story folgt diesem Basisaufbau. Zwischen den Akten liegen die Wendepunkte (Plotpoints), von denen es also mindestens zwei große geben muss.

 
Der Anfang
Anfang ist, was selbst notwendigerweise nicht nach etwas anderem ist, nach dem aber ein anderes ist oder entsteht.“ - Aristoteles
Äh, ja.
Der Anfang muss eine Menge leisten. Er führt den Leser in Zeit, Ort und Personen ein, soll Atmosphäre schaffen, Spannung erzeugen und setzt Maßstäbe für Tempo und Stil. Die Hauptfigur wird eingeführt, der Hauptkonflikt genannt und das Ziel des Protagonisten gesetzt. Wendepunkt 1 ist der Auslöser. Hier geschieht etwas, dass die Hauptfigur aus ihrem normalen Alltag heraus reißt und zum Handeln zwingt.
Von da an ist die Welt nicht mehr, wie sie war.


Die Mitte
Mitte ist, was selbst nach einem anderen folgt und nach ihm ein anderes.“ - Aristoteles
Achso.
Die Mitte verbindet Anfang und Ende und treibt die Geschichte voran; der Hauptfigur wird bis zur Erreichung ihres Zieles viele kleine und größere Konflikte und Hindernisse in den Weg gelegt. Auch wenn diese Mini-Konflikte alle gelöst werden, die Hindernisse überwunden, führt die Handlung trotzdem unweigerlich auf den Showdown zu, dem Höhepunkt – der Klimax. Die Spannung kann steigen und sinken während der Mitte, der Protagonist kann immer wieder Ruhephasen erleben und kleinere Triumphe, aber der Gesamtspannungsbogen zum Höhepunkt hin darf nicht abfallen – und tut er auch nicht, denn der Hauptkonflikt ist noch immer nicht gelöst.


Das Ende
Ende aber ist im Gegenteil das, was selbst nach einem anderen ist, und zwar durch Notwendigkeit; nach ihm aber folgt nichts anderes.“ - Aristoteles
Genau.
Das Ende wird von der Klimax, dem Höhepunkt, der Hauptkonfrontation oder auch Showdown bestimmt. Hier kommt alles zu einem Ende, der Hauptkonflikt wird gelöst.
Zum Schluss bleibt nur noch, alle Fäden aufzusammeln und schnell die Geschichte abzuschließen – denn nach dem Höhepunkt fällt die Spannung rasch ab und der Leser verliert schnell das Interesse.




Viele schürzen den Knoten vortrefflich und lösen ihn schlecht wieder auf; man muss jedoch beides {Anfang und Ende} miteinander in Übereinstimmung bringen.” - Aristoteles


So viel zum Groben.
Das war ja nu für die meißten von euch nicht viel Neues. Aber es geht ja noch weiter.
Nächste Woche werden wir dann mal die einzelnen Akte noch genauer unter die Lupe nehmen, schauen uns die beiden großen Wendepunkte an und arbeiten einen detaillierten Plan für eine Plotstruktur aus.
Denn dies ist ja bisher nur das grobe Gerüst.

Zum Abschluss möchte ich mich dann nur noch bei meinem Gastredner Aristrotteles bedanken.





Donnerstag, 15. November 2012

Flashbacks und Flashforwards



 

                                                                                                                                             (Bildquelle: http://imgfave.com/)



Das Ding mit dem Leben ist nun einmal dieses: Alles passiert uns in chronologischer Reihenfolge.
Wäre es nicht interessanter, wenn es das nicht täte?
Manchmal lehnen wir uns zurück und malen uns aus, wie die Zukunft sein wird. Und ein andermal schwelgen wir in Erinnerungen an vergangene Zeiten.
Das Feine ist: du als Autor kannst genau das auch in deiner Geschichte tun.
Einen Sprung in die Zukunft nennt der Herr Autor Flashforward.
Einen Rückblick in die Vergangenheit nennt er Flashback.
Aber nur, wenn diese Sprünge richtige ausgearbeitete Szenen sind, die den Leser alles live miterleben lassen, so als würde es gerade vor ihren Augen geschehen.

Ein Beispiel: „Die Kabine sah der Flugzeugkabine eines gewöhnlichen kommerziellen Passagierflugzeuges verblüffend ähnlich – mit der einzigen Ausnahme, dass es keine Fenster gab, sehr zu Langdons Beunruhigung. Er hatte sein Leben lang unter einer schwach ausgeprägten Klaustrophobie gelitten – die Folge eines Kindheitserlebnisses, das er niemals ganz überwunden hatte.“ – aus Dan Brown „Illuminati“
Dies ist kein Flashback. Denn der Autor zeigt uns dieses Kindheitserlebnis nicht, er erwähnt es nur. Der Autor Dan Brown hätte an dieser Stelle einen Flashback einfügen können, indem er den Leser detailliert und genau an jenem Kindheitserlebnis teilnehmen lässt, und dann zu der Szene in dem Flugzeug zurück schneidet.
Tut er aber nicht.
Warum?
Hätte es nicht eine stärkere Wirkung auf den Leser gehabt? Würde er an dieser Stelle, wenn er die Angst und die Bedrohung in der Kindheit Langdons mitdurchlebt hätte, nicht viel besser nachvollziehen können, wie die Figur Langdon sich jetzt in dieser engen Flugzeugkabine fühlt?
Ja, würde er.
Und damit haben wir schon einen der Hauptfunktionen eines Flashbacks entdeckt: Er deckt Motivationen und Hintergründe auf und bindet damit den Leser emotional stärker an die Figuren.
Aber Dan Brown hat sich an dieser Stelle dagegen entschieden, denn Flashbacks haben auch einen Nachteil: sie unterbrechen den Haupterzählstrang und verlangsamen somit die Vorwärtsbewegung einer Geschichte.
Deswegen will gut überlegt sein, ob man mit dem Flashforward - oder Flashbackwardbutton spielt.

Beispiel 2: „Nicht viele Kinder konnten von sich sagen, dass sie sich an den Tag erinnerten, an dem sie ihren Vater kennengelernt hatten.
Anders Vittoria Vetra.
Sie war acht Jahre alt gewesen und hatte gewohnt, wo sie immer gewohnt hatte: im Orfanotrofio die Siena, einem katholischen Waisenhaus in der Nähe von Florenz, ausgesetzt von Eltern, die sie niemals gekannt hatte. Es hatte geregnet an dem Tag. Die Nonnen hatten sie zweimal zum Abendessen gerufen, doch wie stets hatte sie getan, als höre sie nichts. Sie lag draußen im Hof und starrte die Regentropfen an … spürte, wie sie von ihnen getroffen wurde … versuchte zu raten, wo der nächste treffen würde. Die Nonnen riefen erneut und drohten, dass eine Lungenentzündung einem halsstarrigen Kind wie ihr die Neugier auf die Natur schon austreiben würde. Ich kann nichts hören, hatte Vittoria gedacht. Sie war durchnässt bis auf die Haut, als ein junger Priester kam, um sie zu holen. Sie kannte ihn nicht, er mußte neu sein. […] Der Priester heißt Leonardo und die beiden kommen ins Gespräch. Nach einer Weile fragt er:[…] „Möchtest du, das ich dich adoptiere?“, fragte Leonardo.
„Was bedeutet adoptieren?“
Vater Leonardo erklärte es ihr.
Vittoria drückte sich volle fünf Minuten vor Freude weinend an ihn. „Ja! Oh ja!“
Leonardo sagte ihr, dass er für eine Weile fort sein würde, um in der Schweiz ein neues Heim für sie beide einzurichten, doch er versprach, sie in spätesten sechs Monaten zu holen. Es war die längste Zeit in Vittorias Leben, doch Leonardo hielt Wort. Fünf Tage vor ihrem neunten Geburtstag zog sie nach Genf.“-  aus Dan Brown „Illuminati“
Habt ihr es gemerkt?
Die Szene, wie sie ihren Adoptivvater das erste Mal getroffen hat, ist ausführlich beschrieben, mit fallenden Regentropfen und allem, so als erlebe man sie direkt mit. Inklusive ausgearbeitetem Dialog. (Auch wenn ich ihn nicht in seiner ganzen Länge wiedergegeben habe).
Das ist ein Flashback.

Flashbacks können unterschiedliche Längen haben, von einer einzigen Szene in nur vier oder fünf Zeilen, bis hin zu ganzen Kapiteln.
 Markiert werden sie durch einen Wechsel in der Erzählzeit.
Wer also seine Geschichte im Präsens schreibt, muss in die Vergangenheitsform wechseln, und wer in der Vergangenheitsform schreibt, muss in die Vorvergangenheit (Plusquamperfekt) wechseln. Da sich das Plusquamperfekt über längere Zeilen sehr sperrig liest (all die „hatte gesagt“ und „hätte gemacht gehabt gewollt“ will ja keiner) mogelt sich Herr Autor nach wenigen Sätzen in die einfache Vergangenheitsform zurück und nur zum Ausstieg wieder in das Plusquamperfekt.
Guckt euch das ruhig mal an, wie der Dan Brown das macht. Der Schummler.

So, und was hat er nun davon, dass er uns das Mädchen im Regen und ihre erste Begegnung mit ihrem Adoptivvater zeigt? Hätte er das nicht auch zusammenfassen können, anstatt fünf Seiten dafür zu opfern?
Ja, hätte er.
Aber er hat sich bewusst dafür entschieden, uns - dem Leser - das ausführlich und live zu zeigen.
Denn jetzt ist der Leser mit einem guten Stück Informationen über die Figur der Vittoria ausgestattet und kann sich viel besser in sie hineinversetzen und somit Empathie für sie empfinden. Denn rate mal, was gleich in der Haupthandlung geschehen wird, wen der Leser treffen wird und wem als nächstes etwas ganz übles (oder gar tödliches) geschieht?
Genau.
Dem Leser musste diese Szene gezeigt werden, damit er emotional genug mit der Handlung verstrickt ist, um Anteilnahme an dieser neu eingeführten Figur zu empfinden.

Wenn du Schwierigkeiten hast, dich zu entscheiden, ob ein Flashback überflüssig oder angebracht ist, dann hilft es dir vielleicht, dir deine Geschichte als Film vorzustellen.
Denn da kommt die Technik schließlich ursprünglich auch her.
Im Film wurden Szenen, die in die Erinnerung oder Vergangenheit einer Figur führen früher oft mit einem hellen Aufblitzen eingeleitet (Daher das Wort „Flash“-back). Später bediente man sich anderer visueller Hinweise. (Wechsel zu schwarz-weiß, blurred/ verschwommen, in Sepia-Tönen, mit wackeliger Handkamera gedreht ect.)
Heutzutage verzichtet man häufig auf solche visuellen Zeichen und erwartet, dass der Zuschauer aus dem Zusammenhang versteht, wo die Szene zeitlich einzuordnen ist.
Ja, Deiner Einer hört richtig.
In modernen Filmen werden Szenen häufig ohne einleitende Erklärung oder Überleitung aneinander geschnitten, die zeitlich nicht zusammengehören, und der Zuschauer darf dann raten, wo im Erzählstrang er sich befindet.
Das ist ein beliebtes Mittel zur Spannungserzeugung.
Gerade gesehen: Die Folgen der Zombie-Shocker-Apokalypsen-Serie „Walking Dead“ beginnen oft mit einem Flashback oder einem Flashforward.
Auch „How I met your mother“ springt fröhlich in den Zeiten.
Die Autoren von „How I met your mother“ spielen sogar sehr viel mit ihren „Stop“ und „Forward“ und „Fastbackward“-Buttons.
Genau genommen ist alles in How I met you mother Erzählte ein Flashback, denn die Handlung beginnt jedes Mal damit, dass ein Mann seinen Kindern erzählen will, wie er ihrer Mutter das erste Mal begegnet ist. Sämtliche darauf gezeigte Handlung spielt also in der Vergangenheit, wobei es innerhalb dieses Flashbacks weitere Flashbacks innerhalb von Flashbacks geben kann, sowie Flashforwards mit Blicken in die Zukunft.
Cool?
Ein Allwissender Erzähler kann sowas.

Wenn du das auch können willst, dann leg die Pfoten auf den Button, schneide deine Geschichte in viele kleine Häppchen und frage dich, welche Szenen du in deinem Roman drin haben willst, welche unbedingt ausführlich gezeigt werden müssen, und welche als Nacherzählung kurz zusammengefasst werden können.
Welche gar nicht gezeigt werden brauchen.
Welche man vorverlegen kann und welche mitten in der Action einschieben.
Das nennt man dann „Nicht-Lineares Erzählen“.

Nicht-Lineares Erzählen ist wie das Zusammenstellen eines Mixtapes.
Vorspulen bis zum Lieblingslied.
Auf Seite B wechseln, zu dem anderen Lied, das so schön dazu passt und Erinnerungen an einen heißen Sommer wachruft.
Zurückspulen zum Anfang.

Stories can be perfect, when you know how to play them well.