Samstag, 29. Juni 2013

Teil 5: "First Person omniscient"


Ringtheorie der Erzählhaltungen Teil 5


In der Erzählhaltung des First Person omniscient sind Erzähler und Figur miteinander verschmolzen, d.h. die Figur erzählt dem Leser ihre eigene Geschichte, daher ist kein Wechsel des Perspektivträgers möglich.


Autor
Erzähler/Figur --> Leser
  
Der Unterschied zum First Person limited ist der, dass dieser Ich-Erzähler aus der Retrospektive heraus erzählt, d.h. er berichtet von Ereignissen, die bereits geschehen sind, weiß also um den Ausgang und das Schicksal aller beteiligter Figuren. (Kein Präsenz und keine Tagebuchform mehr möglich).Dies macht ihn zu einem Allwissenden Erzähler (= „omniscient“). Der Unterschied zum "richtigen" Allwissenden Erzähler ist der, dass die Ich-Figur über sich selbst berichtet, während der Allwissende Erzähler über jemand anderen spricht. Und so ganz „allwissend“ ist dieser Ich-Erzähler auch nicht, er kann nur von Ereignissen berichten, bei denen er selbst anwesend gewesen ist oder von denen er im Nachhinein erfahren hat, das bedeutet, er kennt nicht die Gefühle oder Gedanken anderer Figuren, es sei denn er hat später davon erfahren: „Meine Frau erzählte mir im Nachhinein, dass sie nie stolzer auf mich gewesen ist, als in jenem Moment …“ „Die Polizei berichtete am nächsten Tag, mein Angreifer hatte eine Axt benutzt, um in mein Büro einzudringen …“ o.ä.

Dieser Ich-Erzähler weiß also schon alles, was passiert ist (und kann folglich nicht tot sein am Ende der Geschichte) und berichtet uns nun von seinen Erlebnissen. Dabei präsentiert er uns diese auf eine Art und Weise, die wir ansprechend finden sollen, d.h. er wählt aus, was er wann erzählt, verschweigt Details oder hebt sie für später auf. Ein richtig geschickter Geschichtenerzähler eben.

Das kann dann so klingen:



Donna Tardt:
Die geheime Geschichte
"Der Schnee in den Bergen schmolz schon, und Bunny war seit ein paar Wochen tot, ehe uns der Ernst unserer Lage allmählich dämmerte. Er war zehn Tagen tot gewesen, als sie ihn gefunden hatten, wissen Sie. Es war eine der größten Suchaktionen nach einem Vermissten in der Geschichte Vermonts – Staatspolizei, FBI, sogar ein Hubschrauber der Army; das College geschlossen, die Färberei in Hampden dichtgemacht; Leute, die aus Hampshire, aus dem Staat New York, sogar noch aus Boston herbeikamen.
Es ist schwer zu glauben, dass Henrys bescheidener Plan diesen unvorhergesehenen Ereignissen zum Trotz so gut funktionierte. Wir hatten nicht die Absicht gehabt, die Leiche an einem unauffindbaren Ort zu verstecken. Genau genommen hatten wir sie überhaupt nicht versteckt, sondern einfach liegengelassen, wo sie hingefallen war, in der Hoffnung, dass irgendein Passant das Pech haben würde, über sie zu stolpern, ehe irgendjemand überhaupt gemerkt hatte, dass Bunny verschwunden war. […]
Mein Name ist Richard Papen. Ich bin 28 Jahre alt, und ich hatte New England oder Hampden College nie gesehen, bis ich neunzehn war."

Dieser Ich-Erzähler sagt uns gleich im ersten Satz, was passiert ist: Bunny ist tot und er ist der Mörder. Nicht nur das, er verrät uns auch, dass ein gewisser Henry den Plan dazu hatte, und wie und wo sie die Leiche hinterlassen haben. Was ist das denn für ein Krimi, so kann man doch keine Spannung aufbauen?!
Kann man doch, denn die Spannung dieses Romanes bezieht sich nunmal nicht aus der Frage, wer der Mörder war oder wie die Tat verübt wurde. Nein, es geht dem Leser viel mehr um die Frage, wie es überhaupt dazu kommen konnte. Dies ist ein sehr geschickter Aufbau und zeigt, woraus Geschichten in der First Person omniscient Erzählhaltung häufig ihre Spannung hernehmen: Durch geschickte Vorwegnahme von Ereignissen, durch Andeutungen und Kommentare, wie sie nur ein „omniscient“ machen kann(„Hätte ich damals schon gewusst, dass …“).




Um eine Geschichte auf diese Art und Weise aufzubauen, ist es notwendig, sich als Autor Gedanken darüber zu machen, wo die Figur sich (zeitlich) befindet, wenn sie ihre Geschichte erzählt. Im Falle von Richard Papen sitzt dieser mitnichten als ergrauter Großvater im Kreise seiner Lieben in einem Schaukelstuhl, sondern ist vielmehr ein junger Mann von 28 Jahren, der von Ereignissen berichtet, die begonnen haben, als er 19 Jahre alt war und zum erstenmal das Hampden College betrat. Dies hat selbstverständlich Auswirkungen auf die „Voice“ des Ich-Erzählers und darauf, wie er selbst die Ereignisse bewertet (mit 28 sicherlich anders als mit 70) oder was für einen emotionalen Abstand er jetzt zu ihnen hat (die Tat ist nicht einmal zehn Jahre her).
Desweiteren kann der Autor sich Gedanken machen, wem und warum die Ich-Figur von ihren Erlebnissen berichtet.


Wie in dem Beispiel von


Brandon Sanderson:
Alcatraz und die dunkle Bibliothek. Roman
„Ich bin kein guter Mensch.
Oh, ich weiß, was man sich über mich erzählt. Man nennt mich Okulator Dramatus, Held, Retter der Zwölf Königreiche … Aber das sind nur Geschichten. Einige davon sind übertrieben, viele sind glatte lügen. Die Wahrheit ist wesentlich weniger beeindruckend.
Als Mr Bagsworth das erste Mal auf mich zukam und mir vorschlug, meine Autobiographie zu schreiben, zögerte ich. Bald wurde mir jedoch klar, dass dies die bestmögliche Gelegenheit für mich war, der Öffentlichkeit zu erklären, wie ich wirklich bin. […]
Mir ist durchaus bewusst, dass ich mir in beiden Welten Feinde machen werde, indem ich dieses Buch schreibe. Die Leute mögen es eben nicht, wenn man ihnen aufzeigt, dass die Dinge nicht so sind, wie sie es immer geglaubt haben.
Aber genau das muss ich tun. Dies ist meine Geschichte – die Geschichte eines egoistischen, verachtenswerten Idioten.
Die Geschichte eines Feiglings.“


Hier schreibt jemand also seine Autobiographie. Weil er angeblich von einem gewissen Mr Bagsworth darum gebeten wurde. Er nennt auch einen Grund: er möchte den Leuten aufzeigen, wie es wirklich gewesen ist; dass er kein Held sei, wie alle glauben, sondern ein Feigling und Idiot.

Wollen wir weiterlesen? Wollen wir wissen, was passiert ist?

Ja, das wollen wir, wir wollen der Sache auf den Grund gehen und von der Figur selbst hören, was geschehen ist.

Der First Person omniscient hat die größte Sogwirkung auf den Leser, bietet aber nicht unbedingt die größte Identifikation mit der Figur, denn wir lauschen hier jemandem, der mitunter grauenvolle Taten begangen oder sehr abweichende Moralvorstellungen von der unseren hat. Wir identifizieren uns nicht mit der Figur, aber wir wollen ihre Beichte hören. Wie bei einem Autounfall: Wir wissen, dass die Katastrophe passieren wird, aber wir sind nicht in der Lage, wegzugucken.



Manchmal kann aber auch die Frage, wo und wann die Figur sich befindet, als sie erzählt, zu einem wichtigen Element werden, wenn die Erzählung in eine Rahmenhandlung eingebettet ist, zu der die Leser am Schluß der Geschichte zurückkehren.

Ein gutes Beispiel ist hier die berühmte Kurzgeschichte „Das schwatzhafte Herz“ von Edgar Allen Poe:


„Wahr ist es: nervös, entsetzlich nervös war ich damals und bin es noch. Warum aber müßt ihr durchaus behaupten, daß ich wahnsinnig sei? Mein nervöser Zustand hatte meinen Verstand nicht zerrüttet, sondern ihn geschärft, hatte meine Sinne nicht abgestumpft, sondern wachsamer gemacht. Vor allem hatte sich mein Gehörsinn wunderbar fein entwickelt. Ich hörte alle Dinge im Himmel und auf Erden. Ich hörte viele Dinge in der Hölle. Und das sollte Wahnsinn sein? Hört zu und merkt auf, wie sachlich, wie ruhig ich die ganze Geschichte erzählen kann.“


In Folgenden berichtet man uns von einem Mord. Der Leser erfährt erst ganz am Ende: Der Erzähler ist bereits verhaftet und befindet sich bei einem Verhör in Polizeigewahrsam.

Ein geschickter Kunstgriff, Mr Poe.
Ringtheorie der Erzählhaltungen Teil 5

Der First Person omniscient macht es also notwendig, dass man sich einige Gedanken über seine Erzählerfigur macht. Nicht nur, dass sie eine ausgeprägte eigene Ausdrucksweise (Voice) haben sollte, sondern auch, dass man sich bewusst ist, wann wo und warum die Figur berichtet, was sie auslässt und beschönigt, wo sie ehrlich gegenüber dem Leser ist oder nicht. Viele dieser Erzähler entpuppen sich am Ende auch als „unreliable Narrators“; Geschichten in dieser Erzählform haben häufig viele Twists (überraschende Wendungen), offene oder nicht ganz geklärte Enden, fragmentarische oder traumhafte Sequenzen und einen ironischen oder humoristischen Ton.
Und Deiner Einer hat es vermutlich schon gemerkt: Hier ist die Figur der Star der Show und steht häufig mehr im Vordergrund als der Plot.



Zusammenfassung: „First Person omniscient“


-        Subjektiv aus der Sicht der Figur erzählt. „Ich“

-        keine Außenansicht auf die Figur.

-        Erzähler und Figur sind miteinander verschmolzen; die Figur erzählt selbst ihre eigene Geschichte als Retrospektive und wertet/kommentiert viel.

-        Wie, wann, wo, wem und warum erzählt die Figur?

-        Darf Leser direkt ansprechen, Ereignisse vorausnehmen.

-        Ist oft ein Unreliable Narrator: fragmentarisches erzählen, Auslassungen, Lügen ect.

-        Ist frei in Zeit und Raum; aber muss belegen woher Kenntnisse über Ereignisse hat, bei denen er nicht selber anwesend war

-        Kein Wechsel zu einem anderen Perspektivträger möglich!

-         „Voice“ der Erzählerfigur steht im Vordergrund.





Freitag, 14. Juni 2013

Teil 4: "First Person limited"



Ringtheorie der Erzählhaltungen Teil 4

Nun könnte man also in einem Text alle „Er“ durch ein „Ich“ ersetzen und schon hat man einen „Ich-Erzähler“?
Ja, könnte man.

Aber der Ich-Erzähler hat ein paar theoretische Besonderheiten und es macht Sinn, sich diese einmal anzusehen, bevor man sich für diese Form entscheidet.

Diese Erzählhaltung folgt erst einmal den Regeln des „Third Person subjektiv“, alles ist also aus der subjektiven Sicht der Figur beschrieben, es gibt keinerlei Außenansicht oder Einblicke in die Gedanken anderer Figuren; alles muss durch die Sichtweise der Figur gefärbt beschrieben sein. Er ist an eine Figur gebunden, aber mehrere Ich-Erzähler können sich kapitelweise abwechseln.
Entstanden ist diese Form aus dem Briefroman.
Ein Beispiel:

Mary W. Shelly: Frankenstein

"Erster Brief
An Mrs Saville, England
St.Petersburg, 11.Dez. 17—

Es mag dich freuen, zu hören, dass die ersten Schritte jenes Unterfangens, welches Du mit so unheilvollen Vorgefühlen betrachtet, sich bisher unter einem günstigen Sterne vollzogen haben. Ich bin hierorts am gestrigen Tage angelangt und erachte es für meine vordringlichste Pflicht, Dich, teuerste Schwester, meines Wohlergehens zu versichern, sowie meiner wachsenden Zuversicht in den schließlichen Erfolg meines Vorhabens.
Ich befinde mich hier auf einem viel nördlicher gelegenen Breitengrade denn London, und sobald ich durch die Straßen von Petersburg wandle, umfächelt meine Wange eine kalte, von Norden kommende Brise, welche die Nerven erfrischt und mich mit Entzücken erfüllt.
Kannst du dies Gefühl mir nachempfinden? […]
Was mag nicht alles zu erwarten sein, von einem Lande, darin es nimmer Nacht wird?"
Man liest also die privaten Aufzeichnungen/ lauscht den Gedanken eines Menschen wie ein Voyeur, kurz: es handelt sich um einen intimen Einblick in das Leben eines Menschen, wie man ihn normalerweise nicht bekommt, was den ganz besonderen Reiz der Tagebuchform ausmacht.

Eine Geschichte in Form von Briefen zu erzählen, bedeutet aber auch fragmentarisches Erzählen. Der Ich- Erzähler berichtet nur, was er selbst erlebt hat und was ihm wichtig erscheint (er verschweigt oder beschönigt mitunter etwas), daher kann es Lücken in der Erzählung geben, so dass der Leser sich die Handlung selbst zusammen reimen muss.
In dieser Erzählhaltung des „First Person limited“ sind Erzähler und Figur miteinander verschmolzen.
Das bedeutet, die Figur wird zum Erzähler ihrer eigenen Geschichte. Denn wer könnte  die Geschichte von Frankensteins Monster besser erzählen, als das Monster selbst?

Vorsicht! Eine Geschichte zu erzählen, ist eine nicht unbedeutende Aufgabe (nicht wahr?) und man sollte sich als Autor fragen: Ist meine Figur überhaupt geeignet, seine eigene Geschichte zu erzählen? Nicht jede Figur hat die Fähigkeiten und den Charme eines Storytellers!

Desweiteren muss der Autor sich und all seine mühsam erlernten Fähigkeiten zurückhalten und jemand anderen das Steuer überlassen. Jemanden, der vielleicht weniger gebildet, weniger wortgewandt, rüpelhaft oder sogar geistig zurückgeblieben ist. (Das Monster kann ja nicht einmal sprechen!)

Wenn man so eine Figur ans Steuer lässt, kann das so klingen:
Daniel Keyes: “Blumen für Algernon" 
"Fortschritsberich 1
3 Mertz

Dr Strauss sagt fon nun an sol ich aufschreiben was ich denke und woran ich mir erinere und ales was ich erlebe. Wiso weis ich nich aber er sagt es ist wischtisch da mit sie sen ob sie mich nehmen könen. Ich hofe sie nehmen mich weil Miss Kinnian sagt fileich könen sie mich Intelgent machen."

Und hier in diesem Beispiel merken wir es schon: „Voice“ ist alles beim Ich-Erzähler. Der Autor sollte ganz besondere Sorgfalt darauf verwenden, seiner Figur eine eigene Stimme zu verleihen. Der Autor, der Jahre damit verbracht hat, seine eigene Stimme zu finden, seinen Stil zu verbessern und an seinem Ausdruck zu feilen, muss nun hinter einer Figur zurücktreten, alles was er kann beiseite lassen und jemand anderen zu einem eigenen Stil verhelfen.

Keine leichte Aufgabe.

Erst recht nicht, wenn man mehrere Ich-Erzähler einsetzen will, die kapitelweise abwechselnd ihre Sicht der Dinge erzählen sollen, denn dann muss Deiner Einer dafür sorgen, dass alle diese Figuren eine deutliche eigene Sprache haben. Doch wenn dies gelingt, kommen mitunter schöne Bücher dabei heraus. (Beispiel: Jodie Picoult Zerbrechlich: Roman )

Und noch ein paar Sachen gibt es zu bedenken:
Der Ich-Erzähler, der seine eigene Geschichte erzählt, muss zwangsläufig das Ende der Geschichte überleben, denn sonst könnte er nicht von ihr erzählen, richtig? Ein Thriller, bei dem die Spannung darauf beruht, ob die Hauptfigur überleben wird oder nicht, ist also schwer in der Form eines Ich-Erzählers aufzubauen, denn man nimmt damit automatisch vorweg, dass die Hauptfigur überlebt. Oder? (Es sei denn, man benutzt einen Trick und deckt am Ende auf, die Hauptfigur ist ein Geist. Auch das wurde selbstverständlich schon öfter gemacht.)
Dennoch gibt es viele Thriller in der Ich- Form. Wieso?
Geschichten schreibt man normalerweise im Präteritum.
Ein Ich-Erzähler, der seine Geschichte im Präteritum erzählt, erzählt diese zwangsläufig als Rückblick, hat also bereits alle Erlebnisse hinter sich und weiß um den Ausgang.
Um das zu vermeiden kann man seine Geschichte ins Präsenz versetzen. Dies hat nicht nur den Vorteil, dass der Ausgang für die Figur ungewiss ist, es vermittelt dem Leser auch das Gefühl unmittelbar „live“ dabei zu sein.
Hier ein Beispiel für den Einsatz von „Voice“ und Präsenz:

   
"Ich bin also auf dem Weg zur Arbeit und bleibe stehen, um einer Taube zuzuschauen, die im Schnee mit einer Ratte kämpft, und irgend so ein Dödel will mich ausrauben! Mit Knarre natürlich. Er kommt von hinten und drückt sie mir in die Schädelbasis. Sie ist kalt und fühlt sich sogar gut an, nach Akkupressur. „Ganz ruhig, Doc“, sagt er.
Womit das wenigstens erklärt ist. Nicht mal früh um fünf bin ich der Typ, den man überfällt. Ich sehe aus wie das Osterinsel-Standbild eines Hafenarbeiters. Aber der Dödel sieht die blaue OP-Hose unter meinem Mantel und die atmungsaktiven grünen Plastikclogs und vermutet Drogen und Geld bei mir. Und denkt wohl, ich habe einen Eid geschworen, ihm nicht die dödelige Hucke dafür vollzuhauen, dass er mich ausrauben will."
Das Erzählen im Präsenz hat aber auch einen Nachteil: In manchen Situationen fragt man sich, wie es sein kann, dass der Erzähler überhaupt noch die Zeit hat, um mit kühlem Kopf weiter zu berichten. Besonders in Action-Szenen kann es schwer sein für die Figur, den Überblick zu bewahren und weiterhin dem Leser zu beschreiben, was geschieht. Ist dieses ungeschickt gemacht, drängt sich dem Leser gar die Frage auf, wem und warum der Erzähler da eigentlich gerade live berichtet. Die fiktive Illusion zerreißt.

Belässt man dagegen die Sache im Präteritum hat man es mit einem Paradoxon zu tun: Wir tun so, als wüsste die Figur selber auch noch nicht, was ihr geschehen wird, trotz der Vergangenheitsform, in der sie erzählt
Der Leser nimmt dies dem Autor aber zumeist ab.
Damit dieser unausgesprochene Vertrag und die Illusion, die er erzeugt, nicht gebrochen wird, sollte der Ich-Erzähler niemals den Leser direkt ansprechen. „Hör mir zu, ich erzähle dir eine Geschichte …“. Tut er dies, so wandelt er sich zum "First Person omniscient"
Und über den sprechen wir beim nächsten Mal.
Ringtheorie der Erzählhaltungen Teil 4
 
 
Zusammenfassung: „First Person limited“

-        Einblick in Gedanken oder Gefühle einer Figur, die von sich als „ich“ spricht.
-        keine Außenansicht auf die Figur.
-        Ist nicht frei in Zeit und Raum, kann nur über Ereignisse berichten, die die Ich- Figur erlebt, ist an eine Figur gebunden. Aber mehrere Ich-Erzähler können sich kapitelweise abwechseln.
-        Erzähler und Figur miteinander verschmolzen
-        Ich – Figur kann nicht am Ende der Geschichte sterben.
-        Ausschließlich „reliable“ Erzähler
-        Fordert szenisches Erzählen; vor allem, wenn im Präsenz geschrieben wird.
-       „Voice“ sehr wichtig; wechselnden Ich-Erzählern mit eigener Voice.
-       spielt sehr in der Gedanken/Innenwelt der Figur, stream of consciousness, berichtet nur, was ihm wichtig erscheint, fragmentarisches Erzählen.
-      Vorteil: „Live dabei“ – Feeling, Voyeuristischer Einblick in intime Gedanken einer Figur, Briefroman/ Tagebuchform