Donnerstag, 29. Mai 2014

Verramschung passiert jedem




Business Bunny Teil 5
Was passiert mit meinem Buch, wenn es nicht auf den Bestsellerlisten landet?
Ja, wenn es vielleicht sogar überhaupt so keiner kaufen will? (Weil gerade Hundertjährige, die aus dem Fenster steigen in sind…)



Ein Buch das sich nicht gut verkauft, wird von den Buchhändlern an die Verlage zurückgegeben, dies sind dann die sog. Remittenden, denn Buchhändler kaufen auf Kommission. Diese Tatsache an sich ist schon einmal bemerkenswert, denn welchem Händler, der mit nicht verderblicher Ware handelt, wird Kommission gewährt? Für die Buchhandelsketten bedeutet das, dass sie gefahrlos ihre Verkaufsräume und Lagerbestände vollknallen können, ohne kalkulieren zu müssen. Was sich innerhalb von wenigen Wochen nicht verkauft, wird zurückgeschickt und durch neue Titel ersetzt. Der Verlag hat eine Vereinbarung, die Titel anstandslos zurückzunehmen – und beim Autor zieht er die nicht verkauften Exemplare von den zuvor in Rechnung gestellten wieder ab. Auf der Abrechnung erscheinen diese dann als ein unhübsches Minus.

Manche Verlage behalten sogar ein Drittel des Vorschusses ein, um mit evtl. zukünftigen Remittenden zu verrechnen (sog. Advance against returns).
Die Anzahl der zurückgesendeten, nicht verkauften Exemplare ist sehr hoch, sie liegt bei 30 – 50 %. Das bedeutet, das für beinahe jedes verkaufte Buch, ein weiteres remittiert wird, oder anders ausgedrückt: es müssen zwei Bücher produziert werden, um eines zu verkaufen.

Die Verlage können sich die Remittenden ins Lager stellen und versuchen, sie über andere Kanäle weiterzuverkaufen, über Grossisten oder Antiquariate. Wenn dies aber auch nicht funktioniert, werden sie das Buch verramschen. 
Verramschen bedeutet: die Buchpreisbindung wird aufgehoben und das Buch kommt als Sonderangebot auf den Markt (sprich: auf den Grabbeltisch.) Ein Händler darf nicht von sich aus verramschen, das darf nur der Verlag. Das hat absurderweise zur Folge, das die Paletten mit Büchern erst zum Verlag gekarrt werden, bevor sie wieder (mit neuem Preis versehen) an denselben Händler zurückgeschickt werden.
Ökonomisch ein Albtraum. 

Wann es zu einer Verramschung kommen darf, wird im Verlagsvertrag geregelt. 
Im Normvertrag steht unter § 9 Verramschung, Makulierung:

Der Verlag kann die gedruckten Ausgaben des Werkes verramschen, wenn der Verkauf in zwei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren unter.... Exemplaren pro Jahr gelegen hat. Am Erlös ist der Autor in Höhe seines sich aus § 4 Absatz 2 ergebenden Grundhonorarprozentsatzes beteiligt.


Hier gibt es also drei Punkte für den Autor zu verhandeln: 1. Der Zeitraum, in dem es zu einer Verramschung kommen darf (2 aufeinanderfolgende Kalenderjahre laut Normvertrag. Manche Verträge drücken dies auf 18 Monate runter. Unter 18 Monate sollte es aber auf keinen Fall liegen) und 2. ab wie vielen Exemplaren es zur Verramschung kommt.
100 Exemplare sind da ein ungefährer Richtwert, aber man sollte bedenken, dass 100 Exemplare pro Jahr für einen Roman eines bekannten Bestsellerautors wenig sein können (es also lange dauert, bis er unter diese Marke rutscht), für ein teures Fachbuch zu einem Spezialgebiet aber viel. Die Anzahl sollte im realistischen Verhältnis zur Auflage und zum Ladenpreis stehen.
Und natürlich 3. mit wie viel Prozent der Autor am Erlös der verbilligten Exemplare beteiligt wird.

Achtung: Bei Remittenden handelt es sich nicht um Mängelexemplare, denn an den Büchern liegt ja kein Mangel vor.

Ein Exemplar einfach als Mängelexemplar zu stempeln, obwohl es keinen äußerlichen Mangel hat, ist illegal. Manche Verlage benutzen diesen Trick, um eine Restauflage loszuwerden. Aber um ein Mängelexemplar handelt es sich nur, wenn tatsächlich ein Schaden an dem Buch vorliegt. Dann darf die Buchpreisbindung aufgehoben werden und das beschädigte Buch billiger verkauft werden. (siehe: http://www.boersenblatt.net/631417/ )
Die Aufhebung der Buchpreisbindung muss veröffentlicht werden. In aller Regel geschieht das in den 'gelben Seiten' des Börsenblatts. Entscheidend dabei ist, dass alle Händler, die ein Buch eventuell auf Lager haben, davon Kenntnis nehmen können, denn da es eine Buchpreisbindung gibt, gilt diese für alle Händler.


§9.2.

Erweist sich auch ein Absatz zum Ramschpreis als nicht durchführbar, kann der Verlag die Restauflage makulieren.


Makulieren ist ein lustiges Wort, findet das Literaturkaninchen.
Was dahinter steckt, ist aber weniger lustig.
Darüber sprechen wir dann man lieber beim nächsten Mal.


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Mittwoch, 14. Mai 2014

Geldregen in Raten


 
Business Bunny Teil 4



Wenn Neuautoren also üblicherweise einen Vorschuß in der Höhe von 3000 bis 10.000 € bekommen, dann ist natürlich klar, dass man davon nur schwer leben kann. 
Wie sieht es aber bei einem Vorschuß in sechsstelliger Höhe aus, einem von diesen Traum-Vorschüssen, von denen wir immer wieder lesen, dass ein hoffnungsvoller Nachwuchsautor ihn erhalten hat. Der Glückspilz hat doch wohl ausgesorgt.
(Und so ein Glückspilz wäre Deiner Einer auch ganz gerne.)

Gehen wir mal davon aus, Deiner Einer hat dieses Killer-Manuskript geschrieben, alle reißen sich drum und Random House ruft dich an und bietet dir 100.000,- €.
Hunderttausend Euro !
So einen Haufen Kohle. Selbst wenn man einberechnet, dass du vielleicht ein ganzes Jahr an diesem Manuskript geschrieben und ein weiteres halbes damit verbracht, bis du eine Agentur und einen Verlag gefunden hast, so sind 100.000,- € doch immer noch ziemlich viel Geld.
Aber so was von.
Du unterschreibst den Vertrag und wartest freudig auf den Scheck, denn du willst aus deiner engen Ein-Zimmer-Bruchbude ausziehen, ein Haus kaufen, ein Cabrio und einen Pelzmantel. Ok, dafür reichen die 100.000 € vielleicht noch nicht ganz, aber Hey! es ist ja nur der Vorschuß, da kommen dann ja später noch ganz viele Tantiemen dazu, wenn das Ding erstmal ein Bestseller ist.
Der Vertrag ist unterschrieben und der langersehnte Scheck flattert ins Haus, aber er ist nur über 25.000,- €. (21.000,- €, weil du einen Agenten hast.)
Hä?
Die meißten Verlage (und ganz bestimmt die, die Vorschüsse über eine so große Summe zahlen) schließen Verträge ab, in denen steht, dass der Vorschuß in vier Raten ausgezahlt wird:
Rate 1 bei Vertragsabschluß
Rate 2 bei Manuskriptablieferung
Rate 3 bei Erscheinen des Hardcovers
und Rate 4 bei Erscheinen des Taschenbuches.

Dein Manuskript ist ja aber bereits fertig gestellt, denkst du, es ist überarbeitet und poliert, wurde Testlesern vorgelegt und feingeschliffen (Hey! Du hast ein ganzes Jahr daran gearbeitet! Natürlich ist es fertig!) aber leider sehen deine Lektoren von Random House das anders und verlangen ein paar Änderungen. Das Lektorat beginnt und der Prozess zieht sich hin. Es fallen mehrere Überarbeitungen an, bis das Manuskript endlich akzeptiert wird und ins Korrektorat und schließlich zum Satz weitergereicht wird. Erst dann, sehr viele Monate und einige nervenaufreibende Emails später, als die Druckfreigabe erteilt wird, trudelt ein weiterer Scheck über 25.000,- € in deiner Einzimmerbude ein. (21.000,- €, da du einen Agenten hast.) Den ersten Scheck hast du inzwischen verpulvert.
Bis das Hardcover dann tatsächlich erscheint, vergeht noch einmal viel Zeit und das Taschenbuch ist noch in weiter Ferne. Deine ersten beiden Schecks hast du längst für Miete und Lebensunterhalt ausgegeben. Steuern musstest du auch zahlen. Und die Anfahrtskosten für all die Lesungen, öffentlichen Auftritte und Kasperkram, den du machen musst, um den Verkauf deines Buches anzukurbeln. Und du kapierst: Die Auszahlung des gesamten Vorschusses wird sich locker über einen Zeitraum von vier Jahren erstrecken. In dieser Zeit erhältst du keine weiteren Tantiemen.
Cheryl Strayed schreibt über diese Erfahrung im Magazin „Scratch“:

„So I sold my book for $100,000, and what I received was a check for about $21,000 a year over the course of four years, and I paid a third of that to the IRS. Don't get me wrong, the book deal helped a lot—it was like getting a grant every year for four years. But it wasn't enough to live off. So, I guess it was a humbling lesson!”

(Lest das komplette Interview, es kann sein, dass der Artikel nur für einen begrenzten Zeitraum kostenlos ist.) Der Fairness halber muss man dazu sagen, dass Cheryl Strayed bereits Schulden angehäuft hatte, als sie den Vorschuß bekam, und es ihr deshalb schwer fiel, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Für so manchen von uns wäre ein (Zusatz-) Einkommen von 21.000,- € im Jahr eine feine Sache, zumal wenn man schuldenfrei ist und weiterhin einer Berufstätigkeit neben dem Schreiben nachkommt.
Schwierig wird es aber, wenn das Schreiben die Haupteinnahmequelle sein soll und nicht noch ein „Brotberuf“ vorhanden ist, der Miete und Lebenskosten deckt. Dann bleibt einem Autor nur übrig, mehrere Eisen im Feuer zu haben, sprich mehrere Bücher, Artikel, Kurzgeschichten und vielleicht noch zu unterrichten oder als Lektor zu arbeiten. Und er sollte lernen, mit seinen Verwertungsrechten klug umzugehen. (Darüber werden wir noch sprechen).

Ja, aber ich habe doch dieses Killer-Manuskript für das mir Random House 100.000 € gezahlt hat, damit lande ich auf den Bestsellerlisten und werde reich!

Leider sind auch Bestseller keine Garantie für Reichtum. In einem Blogpost von Christoph Hardebusch gibt es ein sehr schönes Beispiel für einen solchen Fall. Die Urban Fantasy Autorin Lynn Viehl hat es 2009 mit ihrem Buch „Twilight Fall“ auf Platz 19 der New York Times Bestsellerliste geschafft. Und da sollte man doch annehmen, dass der Rubel zumindest bei ihr rollt.
Leider nicht.
Sie hatte einen Vorschuß von 50.000 $ erhalten. Von den 50.000 $ bekam sie nach Abzug aller Steuern etwa 26.000 $ Nettoeinkommen. Das Buch hatte eine Startauflage von 88.500 Exemplaren, wovon 64.925 Exemplare verkauft wurden, was Einnahmen von 40.484 $ ergeben würden. Da der Verlag aber ein Drittel der Tantiemen einbehielt, um sie mit etwaigen zukünftigen Remittenden zu verrechnen, blieben für die Autorin nur 27.721 $. Somit wurde der Vorschuß nicht erreicht und die Bestsellerautorin bekam 0,- $. Erst elf Monate später erhielt sie die nächste Abrechnung. Es wurden weitere 7,350 Exemplare verkauft (nach Abzug der Remittenden) und somit 4698,12 $ gutgeschrieben. Bis der Vorschuß endlich eingefahren sein würde, würde es schätzungsweise noch ein weiteres Jahr dauern – vielleicht auch nie.
Wahrscheinlicher ist, dass Lynn Viehl niemals mehr als die 26.000 $ für ihren Bestsellertitel erhalten hat.

Ein Haus hat sie sich davon wohl nicht kaufen können.
Aber vielleicht einen Pelzmantel.
Nur, der macht ohne Cabrio gar keinen Spaß…

Lest hier weiter: Verramschung passiert jedem.

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